Anruf aus der Vergangenheit

Gestern klingelte das Telefon. Eine mir unbekannte Nummer rief auf meiner Festnetznummer an. Ich habe das Telefon erstmal klingeln lassen und parallel die Nummer gegoogelt, weil ich in den letzten Monaten viele, viele Spam-Anrufe bekommen habe: Angebliche Microsoft-Mitarbeiter wollen sich auf meinen Rechner aufschalten, weil sie ein Problem gefunden haben und mir den Service anbieten, es zu lösen. Ich frage mich, woher sie wissen, dass mein Windows ein Problem hat. Wahrscheinlich, weil sie mein System gescannt haben. Dann hätten sie aber schon Zugriff auf das Ding und müssten bei mir nicht anfragen, ob ich sie auf meinen Rechner lasse. Aber ich schweife ab.

Aber die Google-Suche ergibt, dass es sich um eine alte Bekannte von mir handelt, die ich zwar seit 26 Jahren kenne, die sich in diesen Jahren aber nur höchst selten bei mir gemeldet hat. Es handelt sich um die DKMS, die deutsche Knochenmarkspenderdatei.

Ich kann mich noch vage an unser erstes Kennenlernen erinnern. 1994 leistete ich in Koblenz meinen Grundwehrdienst ab und besuchte nach Feierabend gerne das Löhr-Center. Manchmal, um Lebensmittel einzukaufen, meist aber nur, um der Langeweile der Fritsch-Kaserne zu entfliehen. So auch an diesem Tag. Die DKMS hatte einen Stand im Löhr-Center aufgebaut und eine Typisierungsaktion gestartet. Ich hatte mich bis zu diesem Tag nie mit den Themen Leukämie, Knochenmark- oder Stammzellenspende auseinander gesetzt. Nach dem Durchblättern des ausliegenden Info-Materials war der Wunsch bei mir geweckt, mich auch als Spender zur Verfügung zu stellen. Mit geringem Aufwand Gutes zu tun und ggf. sogar noch ein fremdes Leben zu retten, hielt ich für eine gute Sache. Also betrat ich den Stand, man zapfte mir wenige Milliliter Blut ab, und schon ging’s zurück in die Kaserne. Der Spenderausweis lag einige Wochen später in meinem Briefkasten

Vor knapp 10 Jahren kam dann erstmals ein konkreterer Brief bei mir ein. Es gäbe einen Patienten, bei dem eine gewisse Übereinstimmung unserer Gewebemerkmale existiere. Um zu prüfen, ob ich ein potentieller Spender sei, wurde zunächst die 1994 entnommene Blutspende aufgetaut und weitere HLA-Merkmale bestimmt. Man schickte mir nun Wattestäbchen, um noch zusätzliche Merkmale ermitteln zu können.

Wenige Wochen später Ernüchterung: Es wurde ein passenderer Spender gefunden, ich war wieder auf Standby. So müssen sich die Ersatzastronauten der ESA fühlen: Sie durchlaufen die komplette Astronautenausbildung, wissen aber, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nie in den Weltraum fliegen werden.

Es folgte eine lange Stille, bis dann gestern Nachmittag der erwähnte Anruf einging. Ich rief zurück und fragte nach dem Grund des Anrufs. Die freundliche Mitarbeiterin der DKMS eröffnete mir, dass ich erneut als ein möglicher Stammzellenspender für einen Patienten infrage käme. Anscheinend wurde es langsam konkreter, denn im Rahmen des Gesprächs wurden bereits meine Reisepläne und Nichtverfügbarkeitszeiträume für die kommenden 6 Monate abgefragt. Ich wurde gefragt, ob ich nach wie vor spendebereit sei. Das konnte ich bejahen. Mir wurden noch einige Gesundheits- und andere Fragen gestellt und gesagt, es sei ein weiteres Blutentnahmeset auf dem Weg zu mir. Gleichzeitig erhielt ich noch zwei Emails mit einem Link zu einem sehr ausführlichen Gesundheitsfragebogen. Diesen füllte ich noch am selben Nachmittag aus.

Heute mittag brachte der Briefträger dann das angekündigte Blutentnahmeset. Gut, wenn man eine Ärztin geheiratet hat, dann muss man für die Entnahme nicht mal aus dem Haus. Wenige Minuten später waren die drei enthaltenen Röhrchen mit meinem Blut in zwei vorfrankfierte Päckchen verpackt, eine gute Stunde später dann schon im Briefkasten auf dem Weg zu 2 Analyselabore in Essen und Köln.

Nun bin ich gespannt, wie es weitergeht. Aktuell wühle ich mich durch die Weiten des Internets und suche nach Erfahrungsberichten von Menschen, die bereits Spender waren. Warum ich das mache, weiß ich selbst nicht so genau, denn eigentlich geht aus der Infobroschüre der DKMS, die dem Brief heute beilag, schon alles Wesentliche hervor.

Ich werde in diesem Blog über den Fortgang dieser Geschichte berichten. Meine Gedanken sind bei dem mit unbekannten Patienten, dem ich – wenn alles gut geht – mit meiner Spende irgendwie helfen kann. Es ist schon eine schöne Vorstellung, zu wissen, dass es auf der Welt einen genetischen Zwilling gibt.

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